Sonntag, 1. Juli 2018

Das bittere Ausharren der Senegalesen in Bayern

2015 Willkommen in Deutschland, Willkommen in Bayern, Willkommen in München....
dass war ein großer Aufruf zur Hilfe.
Viele engagierte Menschen, eine unglaubliche Hilfsbereitschaft, „Wir schaffen das...“
was auch immer Frau Merkel damit gemeint hat.
Nun 3 Jahre später ein kleines Resümee:
Die engagierten Menschen sind verschwunden, verschwunden nach viel Hilfsbereitschaft, Versuche der Integration all dieser Menschen, die zu uns gekommen sind um Schutz zu suchen oder aber auch um eine Perspektive zu finden.
Genau dass haben die vielen hier lebenden Senegalesen gesucht, eine Perspektive.

Der Senegal ist ein sicheres Herkunftsland, daran lässt sich auch nichts rütteln, aber
steht nicht trotzdem jedem Menschen eine Perspektive zu? Dort zu leben, wo es ihm
besser geht? Würde es nicht jeder von uns so machen? „Flucht ist keine Lösung“ das habe ich mittlerweile verstanden, aber die Senegalesen sagten einst bei einer Veranstaltung im Landtag „Wir sind jetzt nun mal hier, gebt uns eine Chance“ und so sehe ich das auch.

Seit 3 Jahren fahre ich in unsere Containerunterkunft, ich finde starke, wissbegierige, gesunde junge Männer vor, die alles versucht haben sich zu integrieren. Am Anfang durften sie noch arbeiten, dass hat sich schnell geändert, eben auch nur in Bayern, denn die bayrische Staatsregierung hat sich aus dem Gesetz ein „eigenes“ gestrickt. Arbeitsgenehmigungen wurden wieder entzogen, Ausbildungen mussten abgebrochen werden.

Es ist unglaublich frustrierend, nicht nur für diese Menschen, ebenso für uns Unterstützer. Wir haben versucht ihnen die deutsche Sprache beizubringen, denn auch die Schule durften sie nicht mehr besuchen, dass ging nur über ehrenamtliche Hilfe. Wir haben ihnen die Wege zum Arzt, Krankenhaus, Behörden gezeigt. Sie lernten schnell und versuchten alles, um noch eine Chance zu bekommen, denn hieß es nicht, wer sich integriert, hat eine Chance?

Doch diese bleibt aus. Sie schlafen tagsüber viel, nachts sind sie wach. „Es könne die Polizei kommen“ Die Männer fragen mich „Astrid warum darf ich nicht arbeiten, warum darf ich dieses
Land nicht unterstützen, warum darf ich nichts lernen, was ich später in meinem Land anwenden kann, um etwas Neues aufzubauen, Erfahrungen mitnehmen etc.“ Ich habe keine plausiblen Antworten, nur die, die uns fast täglich auf den Behörden um die Ohren geschmettert werden.
„Es ist nun mal so, wir haben Anweisungen von oben etc.“ „Besorgen Sie einen Pass sonst kürzen wir die Leistungen“ ebenso wird ihnen gedroht, dass man sie in „Ausreisezentren verlegt, wo es nur noch Sachleistungen gibt wie Nahrung und Kleidung. Dadurch steigt die Kriminalität und Aggression. Der Druck steigt, da sie kein Geld mehr in den Senegal schicken können. Die meisten tauchen dann ab.

Die Senegalesen mussten nach Berlin, zu ihrer Botschaft, wieder ein Druckmittel, denn diese kann ihnen keine Papiere ausstellen, lediglich bescheinigen, dass sie Senegalesen sind. Das reicht der Regierung nicht, dass reicht der Ausländerbehörde nicht. Somit geht
der Druck weiter. Sie bekommen Strafanzeigen in Höhe von 800-900 Euro, damit wären sie vorbestraft ( diese sind rechtlich gesehen nicht vertretbar, es wurde geklagt und gewonnen) Die Polizei kommt manchmal vorbei, klopft an die Tür und bittet die Männer „einfach zu gehen“ sie haben ja keinen Pass, halten sich somit illegal in Deutschland auf. Aber wohin? Wohin sollen sie gehen? Wir treiben sie mit diesem Gesetz in die Illegalität oder noch schlimmer in die Kriminalität. Ist das Kalkül?

Ich frage mich jeden Tag, wie wäre es für mich, in diesem Container nunmehr seit 3 Jahren zu leben. Mit vielen verschiedenen Nationen. Konflikte sind vorprogrammiert. Ärger mit den verschiedenen Sicherheitsfirmen ebenso. Denn auch diese verstehen oft kein Deutsch, Englisch, Französisch. Wie soll man sich in einem beginnenden Konflikt verständigen?

Nachts wurde im Camp der Strom abgedreht, sie wurden traktiert, es wurden nicht legitime Personenkontrollen durchgeführt und nachts kamen Männer mit Hunden. Bis ich es nach 1 Woche nicht mehr ausgehalten haben. Wir haben es gemeldet und es wurde gehandelt, aber es war ein Martyrium für die Bewohner. All das habe ich erlebt, auch wie sie zum Teil behandelt wurden. Wir sind bis zum
Landrat vorgedrungen und die Mitarbeiter der Firma wurde getauscht. (Viele sind über Libyen gekommen, man kann sich vorstellen, was dort passiert, dass viele im Gefängnis oder sonst wo in dunklen Räumen gefangen waren) Wie muss man
sich fühlen, wenn auf einmal alles wieder dunkel ist ?????

Nun wurden sie wieder „eingeladen“ das 4. Mal. Eine Delegation aus dem Senegal sollte kommen, Identitäten klären. Wieder ein Druckmittel, denn gekommen ist niemand. Dieser Termin wurde 2 Tage vorher schriftlich wieder abgesagt. In der Zwischenzeit sind wieder einige nach Italien, da die Angst doch zu groß ist im nächsten Flieger zu sitzen und der Familie zu erklären woran „ man gescheitert ist“ Denn so sehen es die Familien. Es steckt ein großer Druck dahinter und wie sie mir
immer sagen“Astrid wir können nicht zurück“. Die Menschen verlieren ihr Gesicht. Europa, Deutschland, dass Land wo der Euro am Baum wächst.

Fluchtursachen sollen bekämpft werden, Migrationsberatungszentren werden gebaut (doch diese sind meines Erachtens eher für die Mittelschicht, studierende Menschen
etc. gedacht). Für die Senegalesen hier, ist das keine wirkliche Perspektive.
Die Rückkehr soll so schmackhaft wie möglich gemacht werden, aber das Geld, die
Unterstützung die sie bekommen, reicht nicht.
Es muss ein Businessplan her, doch auch dieser scheitert oft.
Es funktioniert nur mit einer 1:1 Betreuung, ein Patensystem.
Wir haben einen Arbeitskreis gegründet, einige Unterstützer und ich. Wir treffen uns
regelmäßig und sprechen und diskutieren über die freiwillige Ausreise, oder aber auch
Wiedereinreise mit einem Ausbildungsvertrag.
Das gelingt in einigen Fällen und dennoch sind immer noch so viele hier.
Was machen wir jetzt? Warten wir bis sie alle in die Ausreisezentren kommen? Wo das
Leben noch schlimmer ist, als es die letzten 3 Jahre eh schon war?
Dann verschwinden sie lieber nach Italien, Frankreich oder Schweden, um weiter
illegal in Europa zu leben.
Der Druck wird immer größer, wer hilft uns... Keiner. Wir sind nicht mehr viele
Unterstützer, somit versuchen wir uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Jeder
einzelne der freiwillig zurückkehrt ist ein „Gewinn“. Für wen, dass frage ich mich
allerdings.
Von unseren ganzen Bewohnern ist 1 Senegalese zurückgekehrt. Seine Familie hat die
Rückkehr akzeptiert. 8 Jahre war er in Europa. Hat angefangen ein Buch zu schreiben,
lebt jetzt wieder in Touba. Wir sind in engem Kontakt. Auch das ist sehr wichtig. Die
Menschen brauchen nach wie vor den Kontakt zu ihren Unterstützern oder Freunden
hier.
Ich bin an einem Punkt, wo ich die Welt nicht mehr verstehe. Ich habe vieles erlebt,
gesehen, bin viel gereist, 2018 habe ich mir vorgenommen einfach weiterzumachen,
dort weiterzumachen, wo ich 2017 aufgehört habe.
Den Kampf für die Menschenrechte.
Für mich heißt es seit mehr als 30 Jahren:
Kein Mensch ist zu keiner Zeit an keinem Ort jemals illegal.
Ich wünsche mir, dass die Politik endlich einen Weg findet, dass ganze zu stoppen,
doch wenn ich täglich die Nachrichten lese, bezweifle ich das.
Der Präsident Senegals ( Macky Sall) zeigt kein wirkliches Interesse seine Landsleute
zurückzunehmen, auch dass ist berechnend, denn diese schicken nach wie vor sehr
viel Geld nach Hause, nennen wir es vorsichtig „ Entwicklungshilfe“.
Ein offizielles Rücknahmeabkommen gibt es nicht, noch nicht, die Regierung bietet viel
Geld, doch noch wird gewartet.
Macky Sall sagt „ Sind es tatsächlich meine Landsleute? Dafür wurden Delegationen
und Botschafter geschickt, diese Anhörungen dauerten maximal 10 min, es wurde
lediglich gefragt, ob sie aus dem Senegal kommen und ob sie Interesse haben
zurückzukehren. Das wollte selbstverständlich niemand, somit war auch diese
Anhörung nichts anderes, als ein Zeichen eines „Entgegenkommens“ der
senegalesischen Regierung.
Der Druck der EU / Deutschland wird erhöht, irgendwann muss er handeln, was
passiert dann mit all den deportierten Menschen? Wer nimmt sie auf und wer
kümmert sich um sie? Sie werden dort landen, wo ihre Reise nach Europa begann und
weiterhin ohne jegliche Perspektive. Die Regierung Senegals tut meines Erachtens viel
zu wenig für die Jugend, es müssen mehr Schulplätze zugänglich gemacht werden,
denn Bildung ist alles. Es müssen mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, dies ist
möglich, doch warum holt man Arbeitskräfte aus dem Ausland? Es ist alles eine Frage
des Geldes.
In einem Land, wo die Demokratie mit Füßen getreten wird, friedlicher Protest
unterbunden wird, Menschen dafür geschlagen und ins Gefängnis gesteckt werden,
weil sie für ein besseres Land kämpfen, für sich selbst, für ihre Kinder., für eine
Perspektive, die jeder verdient hat.
Ein Land was es schaffen könnte, Senegal gilt als Vorreiter der afrikanischen Länder,
doch die Macht und das Geld regieren auch hier die Welt.
Nächstes Jahr ist die Präsidentschaftswahl und schon jetzt läuft alles nicht mit rechten
Dingen zu, Wahlgesetze werden verwandelt, zur letzten Parlamentswahl ( Juli 2017)
gab es Mängel bei der Vergabe der Wählerausweise, eine unübersichtliche politische
Landschaft und einem inhaftierten Spitzenkandidaten.
Mit einem vernünftigen Einwanderungsgesetz Deutschlands könnte man die illegale
Migration unterbinden, doch wer hat daran schon Interesse?
Die Politiker haben nicht viel Einfluss darauf, darüber steht die Wirtschaft, mit all ihren
Waffengeschäften.
Freihandelsabkommen, Deals mit schweren Menschenrechtsverletzern etc. da fällt es
schwer zu glauben, dass es Perspektiven in den Ländern gibt.
Es muss aufhören, dass Europa die eigenen Produkte in diesen Ländern verkauft, dass
es in der heutigen Zeit noch Sklaverei gibt etc., die Liste ist lang.
Ich unterstütze nun eine Schule im Senegal in der Nähe von Kaolack. Mit
Spendengeldern und Schulmaterialien, die Kinder sind wahnsinnig glücklich darüber.
Der Lehrer mit dem ich das Projekt gestartet habe, ist eine Bereicherung. ( Mitglied
der Bewegung Y´en a Marre) Wir klären die Kinder gemeinsam auf. „Flucht ist keine
Lösung“ das ist die Überschrift. Wir zeigen Dokus über den gefährlichen Weg nach
Europa, ebenso werden Elternabende gemacht. Man kann damit nicht früh genug
anfangen, dass ist mein nächstes Ziel. Eine Reise in den wunderschönen Senegal,
dass Land was ich unbedingt kennenlernen möchte. Diese Menschen haben mich
beeindruckt und ich möchte nun mehr erfahren. Die Schulen sind mein Ziel, da
erreiche ich die meisten jungen Menschen und kann ihnen erklären, dass der Weg
nach Europa versperrt wurde.
Ich werde weiter kämpfen.
Astrid Schreiber
(Flüchtlingshelferin Aschheim)

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